Frauen in der Medizin – in Österreich jedoch erst seit 125 Jahren

Angesichts der heute starken Präsenz von Frauen im Medizinstudium verwundert es, dass die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium so spät erfolgt ist. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Europa keine Ärztinnen. Im Vergleich zu anderen Ländern setzte sich in der damaligen Habsburgermonarchie der Gedanke, dass auch Frauen als Studentinnen geeignet wären nicht durch. Österreich zählte zusammen mit Deutschland zu den Schlusslichtern. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in Österreich Frauen zum Medizinstudium zugelassen.

Gabriele Possanner von Ehrenthal: Portrait einer Vorreiterin © Österreichische Nationalbibliothek

Gabriele Possanner von Ehrenthal (1860 – 1940) ließ sich von all dem nicht aufhalten und wurde die erste Ärztin in der damaligen Habsburgermonarchie. Trotz mehrerer Versuche in Österreich einen Studienplatz zu bekommen, wurde sie kontinuierlich abgelehnt. 1888 begann sie ihr Medizinstudium in der Schweiz. Auch nach erfolgreicher Absolvierung des Medizinstudiums erhielt sie im damaligen Österreich keine Erlaubnis zu praktizieren. Denn im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen wurde ihr Schweizer Diplom nicht anerkannt. Erst nach erneuter Ablegung aller theoretischen und praktischen Prüfungen wurde ihr der Titel „Dr. med. univ.“ zugestanden. Am 2. April 1897 promovierte sie als erste Frau auf österreichisch-ungarischem Boden an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Bis 1900 waren in den Spitälern approbierte Ärztinnen nur als unbezahlte Hospitantinnen zugelassen, um ihnen Erfahrungen für die spätere Tätigkeit als praktizierende Ärztinnen zu ermöglichen. Auch dieser Umstand hat Gabriele Possanner von Ehrenthal nicht daran gehindert, unbeirrt ihren medizinischen Weg zu gehen. 1902 begann sie ihre praktische Spitalausbildung als erste Krankenhausärztin im damaligen Kronprinzessin Stephanie-Spital (128 Betten). Auch um ihr Wahlrecht als erste Frau in der Ärztekammer musste sie lange kämpfen. Schließlich wird sie 1904 als erstes weibliches Ärztekammer-Mitglied zur Wahl zugelassen. Gabriele Possanner war in der österreichischen Geschichte der Medizin bei vielem die erste: erste promovierte Ärztin, erste Ärztin an einer k.k. Krankenanstalt, erstes weibliches Mitglied der Ärztekammer, erste Frau „Medizinalrat“. Die ersten beiden Frauen, die ihr Medizinstudium als ordentliche Hörerinnen absolvierten, waren Margarete Hönigsberg und Bianca Bienenfeld. Bienenfeld spezialisierte sich im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung auf das Fachgebiet der Gynäkologie und betrieb ab 1912 als erste Frauenärztin Österreichs eine eigene Privatpraxis. Einige Jahre später wurde sie zur Leiterin einer gynäkologischen Abteilung in Wien bestellt.

Bianca Bienenfelds beruflicher Weg war schwierig. Erst 1904 wurden Frauen probeweise in den Wiener Krankenanstalten als „Aspirantinnen“ zugelassen, um ihnen praktische Erfahrungen für ihre spätere Tätigkeit als praktizierende Ärztinnen zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt gab es am Allgemeinen Krankenhaus nur drei Aspirantinnen, allerdings mit der Auflage: Heiratsverbot. Die Ehelosigkeit Voraussetzung für eine Anstellung galt bei den Wiener Krankenanstalten bis zum Jahr 1920. Mittlerweile ist im AKH Wien fast jede zweite Arztstelle von einer Frau besetzt, viele davon verheiratet. Vergleichsweise früh wurden bei den damaligen Krankenkassen Ärztinnen angestellt. Bereits 1903 gab es in Wien die ersten Kassenärztinnen. Diese waren für die ambulante Behandlung von weiblichen Mitgliedern zuständig. Bis 1933 erfolgte diese nach Geschlecht getrennt. Die Mehrzahl der Ärztinnen der ersten Generation ließ sich als Allgemeinärztin für Frauen und Kinder nieder.

1930, dreißig Jahre nach der Zulassung von Frauen zum Medizinstudium habilitierte die Tirolerin Helene Wastl als erste Frau an der Uni Wien. Die Medizin wurde in den letzten hundert Jahren weiblicher, so viel steht fest. Doch eine Geschlechtergleichstellung wurde bis dato noch nicht erreicht, so viel steht auch fest. Nur wenige Frauen in Kliniken und Forschung arbeiten in Führungspositionen. Der Anteil an weiblich besetzten Primariate und Lehrstühlen liegt in Österreich bei 10 bis 15 Prozent.

Mag. Sabine Weißengruber-Auer, MBA
Linzer Institut für Gesundheitssystem-Forschung
www.ligforschung.at