Gesundheitsversorgung – Spaniens schwierigster Patient

Spaniens Gesundheitssystem leidet wie andere europäische Systeme an einer gewissen Form der Multimorbidität.

Obwohl Spaniens Gesundheitssystem zu den jüngsten Gesundheitssystemen Europas zählt, wurde erst in den 1980ern nach der Ära Francos aufgebaut, zeigt es ähnliche chronische Symptome, wie viele andere europäischen Systeme.

Mit einem Durchschnittsalter von 45, 1 Jahren (2022) steht Spanien vor ähnlich medizinisch-demografischen Herausforderungen wie zum Beispiel Österreich (43,6 Jahre). Gleichzeitig leidet das Spaniens Gesundheitssystem an einer chronischen Form der Unterfinanzierung, Unterbesetzung und einer in Europa weitverbreiteten Form an Reformresistenz. Alles Symptome, welche in vielen europäischen Ländern verbreitet sind. Trotzdem kämpft das spanische Gesundheitssystem drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie weit mehr mit den Folgen, als andere Staaten. Ein Grund dafür ist die jahrelange strenge Sparpolitik im Gesundheitssektor.

Zentrale Elemente des spanischen Gesundheitssystems

  • vorrangig über Steuern finanziertes Gesundheitssystem
  • hohes Maß an Dezentralisierung (17 autonome Regionen und zwei Exklaven),
  • Gesundheitsleistungen unterliegen vollständig der Zuständigkeit der einzelnen Autonomen
  • Registrierung bei einem Hausarzt oder öffentlichen Gesundheitszentren (Centro de Salud)
  • regelmäßiges Monitoring der Wartezeiten für planbare Eingriffe
  • 70 Prozent der Gesundheitsausgaben trägt die öffentliche Hand,30 Prozent stammen von privaten Haushalten
  • öffentliche Gesundheitssystem übernimmt keine Zahnarztkosten und keine Sehhilfen
  • Zusatzversicherungen sind weit verbreitet, rund 20 Prozent der Einwohner besitzen komplementär zum staatlichen System eine private Versicherung

Gesundheitssektor seit langem finanziell ausgehungert

Die Mehrheit der Hausärzte ist bei einer lokalen Gesundheitsbehörde angestellt.  Ein direkter Weg zum Facharzt sollte theoretisch durch die Gatekeeping-Funktion der Hausärzte nicht möglich sein. Praktisch umgehen die meisten Spanier dieses System, indem sie die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser selbst aufsuchen. Ein Phänomen, welches mittlerweile in vielen Ländern Europas weit verbreitet ist.

Darüber hinaus leidet Spaniens Gesundheitssystem seit der Wirtschaftskrise 2008 an einer chronischen Unterfinanzierung.  Durch die Kürzungen im Zuge der Finanzkrise kam es zu Einsparungen vor allem im Personalbereich, während Investitionen in technische Ausstattungen der Krankenhäuser kaum betroffen waren. Insgesamt gingen zwischen 2009 bis 2013 die Investitionen im Gesundheitsbereich um 8,8 Milliarden Euro zurück. Diese jahrelangen Einsparungen führten dazu, dass Spanien mit 2,97 Krankenhausbetten je tausend Einwohnern eine der niedrigsten Bettendichten innerhalb der EU aufweist (EU-27 Durchschnitt 5 Betten, Österreich 7,2 im Vergleichszeitraum). Bei den Intensivbetten verfügt Spanien ungefähr um zwei Drittel weniger 9,7 (2017) als Österreich 28,9 (2018).

Lange Zeit blieb die Unterversorgung vor allem im Bereich des Gesundheitspersonals unentdeckt. Erst mit dem Ausbrauch der Corona Pandemie wurden die Auswirkungen der Jahrelangen Ausgabenkürzungen sichtbar.

Heute, drei Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie, sind Spaniens Notaufnahmen der Krankenhäuser immer noch überlastet und mehr als 700.000 Spanier warten auf notwendige Operationen. Im Durchschnitt dauert es 113 Tage bis Patienten elektiv operiert werden. Verantwortlich dafür sind vor allem eine schlechte Koordination zwischen Gesundheitszentren und Krankenhäusern und fehlende personelle Kapazitäten.

40 % befristete Arbeitsverträge im Gesundheitsbereich

Rund 40 Prozent der Mitarbeiter im öffentlichen Gesundheitsbereich haben befristete Arbeitsverträge für sechs oder zwölf Monate, diese reihen sich zwar in vielen Fällen nahtlos aneinander, doch erschwert es den Ärzten eine langfristige Lebensplanung. Zudem gehören Spaniens Ärzte zu den am schlechtesten bezahlten in Europa.
Kein Wunder, dass im Frühjahr 2023 zu Massenkundgebungen kam. Hunderte Ärzte protestierten gemeinsam mit hunderttausenden Spanier für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und gegen weitere Kürzungen im Gesundheitsbereich.