Indien: ein Land der Extreme und Gegensätze - auch im Gesundheitsbereich

Indien ist mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt. Jeder sechste Erdenbewohner lebt mittlerweile in Indien. das Durchschnittsalter liegt bei 27,9 Jahren (2022). Das Land ist zwar wirtschaftlich auf dem Weg zur internationalen Großmacht und dennoch zählt Indien in vielen Bereichen noch immer zu den Schlusslichtern. So besitzt ein Großteil der Bevölkerung keinen oder nur unzureichenden Zugang zur Wasser- und Sanitärversorgung. Etwa 30 Prozent der indischen Bevölkerung verfügt über keine eigene Toilette.

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Öffentliches Gesundheitswesen

Auch im Gesundheitsbereich weist Indien eine gemischte Bilanz auf, denn Indiens Gesundheitssektor ist zweigeteilt. Einerseits existiert in Indien eine seit Jahren chronisch unterfinanzierte staatliche Gesundheitsversorgung.  Der Anteil am BIP für den Gesundheitsbereich belief sich im Jahr 2022 auf 2,9 Prozent, Vergleich Österreich 11,4 %.

Trotz Verbesserungsmaßnahmen im Gesundheitssystem zahlen nach wie vor vier von fünf Inder einen Großteil ihrer Gesundheitskosten aus eigener Tasche. Dies hat zur Folge, dass viele Familien durch Krankheit und Behandlungskosten in Armut fallen. Schätzungen der Weltbank zufolge rutschen jährlich zwei bis drei Prozent der Inder aufgrund dringend benötigter Gesundheitsausgaben unterhalb der Armutsgrenze.

Um dem Abhilfe zu schaffen, startete die Regierung 2018 mit dem Aufbau einer staatlichen Krankenversicherung (PMJAY), welche mit einer halben Milliarde Versicherter die größte öffentliche Krankenversicherung der Welt sein wird. Die Menschen in Indien können sich durch die neue Krankenversicherung in staatlichen Einrichtungen kostenlos behandeln lassen. Diese sind jedoch in der Regel schlecht ausgestattet und überfüllt. Die größte staatliche Klinik mit 2.500 Betten befindet sich in Neu-Delhi, täglich warten davor rund 13.000 Patienten auf eine kostenfreie Behandlung.

Vollkommen unregulierter privater Gesundheitssektor

Völlig anders die Situation im privaten Sektor. Indien besitzt das stärkste privatisierte Gesundheitssystem der Welt. Mehr als 80 Prozent der Ärzte arbeiten im privaten Sektor, in gut ausgestatteten Polikliniken für alle medizinischen Fachbereiche oder in hotelähnliche Spezialkliniken. Rund 60 Prozent der stationären Behandlungen im urbanen Raum finden in privaten Einrichtungen statt.

Der private Gesundheitssektor lässt auch den internationalen Medizintourismus seit Jahren wachsen und dabei handelt es sich keinesfalls nur um alternative Behandlungsformen wie Ayurveda oder homöopathische Therapien. Beliebt sind bei Medizintouristen aus Europa und den USA Operationen im orthopädischen oder kardiologischen Bereich. So kostet eine Herzbypass-Operation in Indien je nach Klinik zwischen 3.000 bis 8. 000 USD.

Größte Apotheke der Welt

Indiens Pharmaindustrie ist die drittgrößte der Welt. Was die Generikaproduktion betrifft, so ist Indien klarer Weltmarktführer, 41 % der Produktionsstandorte befinden in Indien (statista 2020).  Diese produzieren 20 % des weltweiten Generikabedarfs.

Doch auch die Entwicklung „originärer" Medikamente nimmt zu. Indiens Regierung fördert gezielt Investitionen im Pharmabereich, so wurden die Genehmigungszeit für neue Anlagen verkürzt und die Stipendien für relevante Studien eingeführt. Jährlich schließen rund 115.000 Chemiker ihr Studium Diplom ab, 12.000 davon mit einem Doktortitel.

 

Mag. Sabine Weißengruber-Auer, MBA
Linzer Institut für Gesundheitssystem-Forschung
www.ligforschung.at