Gesundheitskompetenz als wesentlicher Faktor im Gesundheitswesen

Health Literacy nennt sich die Gesundheitskompetenz schick auf Neudeutsch. Seit den 1990er Jahren wird sie immer öfter in den internationalen Agenden der Gesundheitspolitik thematisiert. In diesem Beitrag soll geklärt werden, was Gesundheitskompetenz eigentlich bedeutet, wie sie gemessen wird und wie sie sich auf das Gesundheitssystem auswirken kann.

Verhältnis persönliche Fähigkeiten und Gesundheitsinformationsangeboten; Quelle: Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz

Gesundheitskompetenz umfasst das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und im Alltag anzuwenden, um in den Bereichen Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsbewältigung Entscheidungen treffen zu können, die ihre Gesundheit und Lebensqualität erhalten oder verbessern. Sie ist Ausdruck des Zusammenspiels individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Anforderungen, mit denen die Menschen in diesen Bereichen konfrontiert sind.“, so die Definition am Factsheet der Österreichischen Gesundheitskompetenz-Erhebung 2020.

An dieser Definition lässt sich ablesen, dass Chancengleichheit in Fragen der Gesundheit vor allem mit Bildung zu tun hat und mit dem Maß an Komplexität, in dem Gesundheitsinformationen zur Verfügung gestellt werden. Niederschwellige Informationsangebote sind daher von zentraler Bedeutung.

Wo steht Österreich

Auf europäischer Ebene besteht seit 2010 ein Netzwerk, das zum Ziel hat, die Gesundheitskompetenz in Europa zu stärken (Health Literacy Europe). Eine 2011 in 8 europäischen Ländern durchgeführte Befragung (HLS-EU) zeigte, dass in Österreich rund 56% der Befragten eine „limitierte“ Gesundheitskompetenz aufwiesen, während der internationale Durchschnitt bei 48% lag. 2020 wurde die Erhebung in Österreich zum zweiten Mal durchgeführt, welche die Ergebnisse von 2011 Großteils bestätigte – mit der Vermutung einer leicht gestiegenen allgemeinen Gesundheitskompetenz. Zwei Kernpunkte waren wenig überraschend: je geringer die Ausbildung und das Einkommen, desto schlechter auch die Gesundheitskompetenz. Am häufigsten holen sich die Österreicher:innen Gesundheitsinformationen bei Ärzt:innen und anderen Gesundheitsberufen sowie aus digitalen Quellen, vor allem dem Internet. Am schwierigsten scheint den Menschen die Orientierung im Gesundheitssystem und die Einschätzung von Gesundheitsinformationen im Internet zu fallen. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, verborgene wirtschaftliche Interessen hinter Gesundheitsinformationen zu erkennen. Auch die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit und der tatsächliche Nutzen dieser Informationen fällt oft schwer. Das Einholen verlässlicher Informationen zum Thema Impfen stellt ebenfalls für viele eine Herausforderung dar.

Auswirkungen

Eine niedrige Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung wirkt sich auch auf das Gesundheitswesen aus, denn diese Menschen nutzen seltener Präventionsprogramme, benötigen mehr Notfallbehandlungen, weisen mehr Krankenhausaufnahmen auf, nehmen Medikamente oft nicht richtig ein, können ihre eigene Gesundheit weniger gut managen und weisen schlechtere Behandlungsergebnisse und ein höheres Komplikationsrisiko auf. Eine niedrigere Gesundheitskompetenz verursacht laut der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz 3-17 % der Behandlungskosten.

Zudem kommen diese Menschen mit ihren Gesundheitsproblemen sehr wahrscheinlich auch häufig bei der falschen Stelle im Gesundheitswesen an: etwa in der Spitalsambulanz statt beim Hausarzt. Hier können die Nummer 1450, die Website www.wobinichrichtig.at und eine intensive Kommunikation der Versorgungspyramide helfen. Auch Informationen, wie man sich bei kleinen Problemen selber versorgen kann, sind relevant.

Gesundheitsziel 3

Im Jahr 2012 wurde das Gesundheitsziel 3 „Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken“ formuliert. Die Bundes-Zielsteuerungskommission hat dazu 2021 folgende Maßnahmen beschlossen: Benutzerfreundliche Informationen sollen gestaltet und zielgruppenspezifisch bereitgestellt, die digitale Gesundheitskompetenz gestärkt, Gesundheitsberufe im Bereich Kommunikation mit Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz geschult und ausreichende Gesprächszeit mit Patienten strukturell gefördert werden. Außerdem soll die Navigation im Gesundheitssystem erleichtert und die Kommunikation in punkto Impfungen verbessert werden.

Gesundheitskompetenz ist ein entscheidender Faktor für die individuelle Gesundheit und die Effizienz des gesamten Gesundheitssystems. Umso wichtiger ist es, Menschen mit gezielter und verständlicher Information zu unterstützen.

 

Mag. Katharina Wieser
Linzer Institut für Gesundheitssystem-Forschung
www.ligforschung.at