Dazu gehört auch, prinzipieller über die Arzneimittelversorgung für die Bevölkerung nachzudenken. Es ist gerade im ländlichen Bereich für viele Patienten ein Ärgernis, dass oft der Weg zum Arzt wesentlich kürzer ist als der Weg in die Apotheke. Das führt dann dazu, dass die Gesamtwegstrecke, um die empfohlene Behandlung aufzunehmen, mehr als doppelt so lang ist als notwendig.
Natürlich müssen die Apotheken als Abgabestelle für Arzneimittel aufrecht bleiben. Nicht zuletzt deshalb, weil es ja auch viele Arzneimittel gibt, die nicht verschreibungspflichtig sind und direkt, also ohne ärztliche Verschreibung, von den Apotheken ausgefolgt werden können.
Aber es hat sich in der Vergangenheit auch vieles verändert. Früher war es ja die Hauptaufgabe der Apotheker, Arzneimittel herzustellen. Diese Aufgabe ist dadurch weitgehend verloren gegangen, dass die meisten Arzneimittel als sogenannte Arzneispezialitäten industriell hergestellt werden können und bereits in einer für den Patienten bestimmten Form in den Handel gelangen. Natürlich können solche Arzneispezialitäten auch problemlos den Patienten direkt vom Arzt mitgegeben werden.
Es gibt jedenfalls keinen medizinischen Grund, weshalb dieser für die Patienten wesentlich bequemere Vorgang der Medikamentenabgabe ausgeschlossen werden soll. Der Arzt ist selbstverständlich mit den Wirkungen, aber auch Nebenwirkungen der von ihm verschriebenen Arzneispezialitäten vertraut, weil er sonst das Medikament gar nicht verschreiben dürfte. Es gehört natürlich ohnehin zu den ärztlichen Berufspflichten, den Patienten über die richtige Einnahme des Medikaments zu informieren, bzw. allfällige Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Nicht zuletzt deshalb können ja auch in den ländlichen Regionen seit mehr als 100 Jahren Ärzte direkt die verschriebenen Arzneimittel an den Patienten abgeben. Selbstverständlich entstanden daraus nie und nimmer Qualitätsmängel. Studien belegen sogar, dass hausapothekenführende Ärzte, also Ärzte, die selbst Medikamente abgeben, ökonomischer verschreiben, weil sie sich mehr mit den Arzneimittelpreisen vertraut machen müssen.
Die Grenze zwischen Apotheken und Hausapotheken und damit der Entscheidung, in welchen Gebieten Ärzte ihren Patienten Medikamente direkt ausfolgen können, liegt ein äußerst kompliziertes System zugrunde. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Arzt mindestens 6 Straßenkilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt ist (wenn er einem schon hausapothekenführenden Arzt nachfolgt 4 Straßenkilometer). 6 km sind natürlich schon ein ordentlicher Fußmarsch, der keinem Patienten zumutbar ist. 6 km sind aber zumindest am Land auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer bewältigbar.
Am sinnvollsten und für den Patienten am bequemsten wäre es, einen entschiedenen Schritt zur völligen Liberalisierung der Arzneimittelversorgung zu machen. Das bedeutet: jedem Arzt soll es möglich sein, die von ihm verschriebenen Medikamente auf direktem Weg seinen Patienten auszufolgen und jedem Apotheker soll es (abgesehen vielleicht von internem Konkurrenzschutz) möglich sein, überall eine Apotheke aufzumachen. Wenn man aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Apotheker nicht so weit gehen möchte, dann sollte man zumindest ein System schaffen, das nur in den Städten den Apothekern die Arzneimittelabgabe exklusiv zuweist (wo die Wege für die Patienten überschaubar bleiben) und zumindest außerhalb der Städte die Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzten erlaubt. Umgekehrt könnte man es anders als bisher auch den Apothekern freistellen, überall eine öffentliche Apotheke zu errichten. Damit wären die unseligen Straßenkilometermessungen, die völlig an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigehen, endlich Geschichte und den Patienten stünde eine wesentlich dichtere Arzneimittelversorgung als heute zur Verfügung.
Präsident Dr. Peter Niedermoser, Obmann des LIG