Tatsächlich ist allerdings das eine Argument genauso polemisch wie das andere. Es gibt kein Naturgesetz, dass Zentralismus besser funktioniert als Föderalismus. Es gibt auch umgekehrt keines, wonach Föderalismus generell dem Zentralismus überlegen wäre. Zentralismus hat sicher den Vorteil, dass in größeren Einheiten gedacht werden kann und dass Mehrgleisigkeiten vermieden werden. Umgekehrt heißt Föderalismus, dass betroffenheitsnäher und auf den jeweiligen regionalen Bedarf adaptiert entschieden werden kann. Es gibt daher keine einheitliche Antwort für alles. Es gibt Materien, bei denen nur zentralistische Lösungen in Frage kommen, wie bei der inneren und äußeren Sicherheit. Es gibt aber auch Materien, bei denen der Föderalismus eindeutige Vorteile hat.
Es ist daher auch kein Zufall, dass international gesehen der Gesundheitsbereich überwiegend föderal gesteuert wird. Und es ist auch kein Zufall, dass das Gesundheitswesen zu jenen Bereichen gehört, bei denen sich alle Mitgliedstaaten der EU bisher vehement dagegen gewehrt haben, ihn zu zentralisieren und der Union zu übertragen.
Natürlich gibt es auch im Gesundheitswesen Themen, die unbedingt zentral abgewickelt werden müssen, wie etwa die Epidemiebekämpfung. Diese ist aber tatsächlich auch von jeher in Österreich Sache des Bundes. Ob allerdings die Corona-Pandemie tatsächlich ein gutes Beispiel für den Erfolg eines zentralisierten Gesundheitssystems war, ist zumindest hinterfragenswert. Meinem Eindruck nach waren es damals gerade die Strukturen auf Landesebene, die wesentlich schneller und effizienter auf die ständig neuen Herausforderungen reagieren konnten.
Gesundheitsversorgung ist Nahversorgung. Daran führt kein Weg vorbei und das spricht eindeutig dafür, soviel Föderalismus als möglich zuzulassen. Dies umso mehr, als der letzte große Akt der Zentralisierung im Gesundheitsbereich, nämlich die Fusionierung der Gebietskrankenkassen, alles andere als eine Erfolgsgeschichte ist und weder zu einer Kostensenkung noch zu mehr Zufriedenheit mit der extramuralen Versorgung geführt hat. Dies sollte jenen zu denken geben, die eine weitere Zentralisierung des Gesundheitssystems anstreben.
Peter Niedermoser


