Hintergründe und Ziele der Krankenhausreform in Deutschland

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist eines sicher nicht: reformscheu. Wenn es nach ihm geht, kommt nicht nur das Aus homöopathischer Mittel auf Kassenkosten, sondern es werden auch die Finanzierung, Organisation und Leistungsplanung der Krankenhäuser komplett einmal auf Links gedreht. So soll etwa die 2003 eingeführte Abgeltung über Fallpauschalen zu einem großen Teil ersetzt werden, denn ansonsten könnten viele Spitäler in die Insolvenz rutschen.

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Bereits im Mai 2022 wurde die „Regierungskommission Krankenhaus“ eingerichtet, deren Aufgabe es ist, Empfehlungen für eine Krankenhausreform abzugeben. Im Juli 2023 einigte sich die Politik auf zentrale Eckpunkte einer umfassenden Krankenhausreform. Die Planung der Krankenhauslandschaft soll nach der Reform auf Versorgungsstufen(Level) und Leistungsgruppen aufgebaut werden. Im März 2024 lag dann ein Gesetzesentwurf vor, dem die Ampelkoalition zugestimmt hat. Darin wird auf Groß-Zentren statt auf Klein-Klinken gesetzt und eine Absenkung der Fallpauschalen vorgesehen.

Warum braucht es eine Reform?

Das zentrale Problem der deutschen Krankenhäuser ist die ungenügende Finanzierung über das System der DRG-Fallpauschalen, denn gerade kleine Häuser können ihre Kosten aufgrund von geringen Fallzahlen oft nicht decken. Die Folge sind Insolvenzen. Laut Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) rutschten 2023 insgesamt 40 Kliniken in die Pleite, 2024 rechnet die DKG mit 80 Insolvenzverfahren. Bis 2030 könnte ein Viertel der Häuser in die Pleite rutschen. Allerdings kommt es nicht immer zu einer Schließung der Häuser, denn oft springen die örtlichen Kommunen als Retter ein. Trotzdem: Die Hälfte der 600 größten deutschen Kliniken scheiben rote Zahlen. Sollte es aus dieser finanziellen Not heraus vermehrt zu Schließungen von Häusern kommen, gefährdet das die Versorgung der Bevölkerung massiv.

Ziele und Maßnahmen

Im Wesentlichen werden drei Hauptziele der Reform genannt:
Entökonomisierung: künftig sollen nur noch 40 Prozent der Einnahmen der Krankenhäuser über das bisherige System der DRG-Fallpauschalen und 60 Prozent über sogenannte Vorhaltungspauschalen abgedeckt werden. Das gibt auch Häusern mit kleinen Fallzahlen eine gewisse Existenzabsicherung. Darüber hinaus soll so garantiert werden, dass nur noch medizinisch notwendige Leistungen erbracht werden und nicht aus einem ökonomischen Zwang heraus gehandelt wird. Im Rahmen der Reform ist geplant die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Schlaganfallversorgung, Spezielle Traumatologie, Intensivmedizin und Notfallversorgung mit einem zusätzlichen Zuschlag für die Vorhaltung abzusichern. Die Kosten der Pflege in den Spitälern werden bei unseren deutschen Nachbarn hingegen schon bisher vollständig durch das Pflegebudget refinanziert. Diese Regelung bleibt von der Reform unberührt

Steigerung der Behandlungsqualität: Nach aktuellem Stand sollen 65 Leistungsgruppen mit bestimmten Mindestqualitätsanforderungen definiert werden. Dazu zählen auch die technische Ausstattung und das fachärztliche, sowie pflegerisches Personal. Nur noch jene Häuser, die diese Anforderungen erfüllen, dürfen die Leistungen auch erbringen. Durch die daraus resultierende Leistungskonzentration soll die Konkurrenz um Personal entschärft und die medizinische Qualität verbessert werden (erhöhte Fallzahlen). Die Erfüllung der Qualitätskriterien soll bundeseinheitlich strukturiert überprüft werden. Ausnahmen zur Leistungserbringung ohne Erfüllung der Qualitätskriterien wird es nur dann geben, wenn ansonsten die Versorgung nicht gewährleistet werden kann. Die Leistungsgruppen, die ein Krankenhaus erbringen darf, bilden die Basis für die Bildung der Versorgungsstufe(Level) des Hauses.

Um die Behandlungsqualität zu erhöhen wird zudem auf Transparenz gesetzt und dafür begleitend zur Reform ein Transparenzgesetz verfasst. Patienten soll es dadurch ermöglicht werden, bestimmte Qualitätskriterien der Spitäler einfach abzufragen. Hierfür werden die vom Bund zugewiesenen Versorgungsstufen (Level) der Krankenhäuser und die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte übersichtlich dargestellt (z.B. unter www.bundes-klinik-atlas.de).

Entbürokratisierung: Bisher spielt die schriftliche Dokumentation einzelner Leistungen im Krankenhaus zu Zwecken der Weiterbehandlung, zu Abrechnungszwecken und für die Untersuchung der Qualität von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen eine bedeutende Rolle. Die im Zuge der Reform festgelegten Qualitätskriterien, die für die Erbringung einer Leistungsgruppe erfüllt werden müssen, werden eine aufwändige Überprüfung jedoch obsolet machen – so der Plan. Auf komplexe Einzeldokumentationen kann daher zukünftig verzichtet werden, weil eine Strukturprüfung der Qualitätsvorgaben der Leistungsgruppen ausreichend sein wird.
Neben diesen drei Hauptzielen soll das Konzept der „Level Ii-Krankenhäuser“ die wohnortnahe Versorgung sicherstellen. Level Ii-Krankenhäuser verbinden stationäre Leistungen mit haus- und fachärztlichen Leistungen aus dem niedergelassen Bereich und Leistungen weiterer Berufsgruppen im Bereich der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung. Level Ii-Krankenhäuser könnten also eine Brücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung bilden und sollen sich aus bisher bestehenden Krankenhäusern herausbilden.

Finanzierung der Reform

Finanziert wird die Reform je zur Hälfte vom Bund und den Bundesländern. Dafür wurde für die nächsten 10 Jahre ein Transformationsfonds eingerichtet, der ein Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro umfasst. Der Bund will seinen Anteil von jährlich 2,5 Milliarden Euro unter anderem aus Mitteln des Gesundheitsfonds der Krankenkassen bestreiten. Darum könnte die Reform eine Beitragsanhebung zur Folge haben und damit zu Lasten der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen gehen.

Noch nicht absehbar ist, wann die Reform umgesetzt wird und die Maßnahmen bei den Spitälern tatsächlich ankommen. Kritiker befürchten, dass die Finanzierungsumstellung für viele Häuser zu spät kommt und es noch ein Spitalssterben geben wird, oder dass die Maßnahmen zu wenig weit greifen und die chronische Unterfinanzierung der Häuser nicht vollständig beseitigt werden kann.

 

Mag. Katharina Wieser
Linzer Institut für Gesundheitssystem-Forschung
www.ligforschung.at