Seit dem 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union (EU). Dieses Bündnis, das als reine Wirtschaftsunion begonnen hat, ist heute ein komplexes demokratisches System, das auf viele Bereiche der Mitgliedstaaten Einfluss nimmt. Gleichzeitig ist auch das österreichische Gesundheitsministerium im Rahmen der EU auf internationaler Ebene aktiv: im Rat der EU, im Europarat, in den Vereinten Nationen (UNO), in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und in der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Die Rolle der EU
Gesundheitspolitik ist in der EU grundsätzlich Angelegenheit der Nationalstaaten. Grundlage dafür ist der Vertrag von Amsterdam, der festlegt, dass die Organisation der nationalen Gesundheitssysteme und die medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten liegen. Die EU gewinnt jedoch auf diesem Politikfeld immer mehr an Bedeutung. Sie verfügt über Kompetenzen, um die Länder zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu fördern. Zudem gilt das Subsidiaritätsprinzip, demzufolge die EU nur dann eingreifen darf, wenn eine Angelegenheit nicht innerstaatlich gelöst werden kann.
Unterstützend wirkt die EU etwa beim Austausch bewährter Praktiken im Bereich der Patientensicherheit oder der Bündelung hochspezialisierter medizinischer Ressourcen in Europäischen Referenznetzwerken, insbesondere im Bereich der seltenen Erkrankungen. Das wichtigste finanzielle Instrument zur Umsetzung der EU-Gesundheitspolitik und zur Förderung der Zusammenarbeit ist das EU-Aktionsprogramm Gesundheit. EU4Health ist das Gesundheitsprogramm der EU für den Zeitraum 2021–2027 mit einem Budget von über 5 Milliarden Euro. Es unterstützt Mitgliedstaaten bei gesundheitsspezifischen Maßnahmen, die üblicherweise einen EU-Mehrwert aufweisen müssen, und setzt neben traditionellen Gesundheitsthemen verstärkt auch auf Aspekte, die als Lehren aus der COVID-19-Krise gezogen wurden.
Durch das Subsidiaritätsprinzip wirkt die EU in folgenden Handlungsfeldern der Gesundheit:
• Prävention und Bekämpfung grenzüberschreitender Gefahren
• Patientenmobilität in Europa
• Freizügigkeit von Gesundheitsdienstleistern
• Maßnahmen für hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards
Konkret: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) beispielsweise koordiniert die Zulassung von Medikamenten, wodurch in Österreich zugelassene Arzneimittel EU-weit geprüft und harmonisiert werden. Ein weiteres wichtiges Element ist der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS), der den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten erleichtern soll. Auch im Bereich der Patientenmobilität gibt es durch EU-Vorgaben eine enge Zusammenarbeit: So können österreichische Patienten medizinische Behandlungen in anderen EU-Ländern in Anspruch nehmen und die Kosten unter bestimmten Bedingungen rückerstatten lassen. Im Jahr 2004 trat die europäische Sozialversicherungskarte in Kraft, wodurch eine Behandlung in EU-Ländern sowie in weiteren europäischen Ländern, wie z.B. der Schweiz oder Großbritannien, noch unkomplizierter wurde.
International
„Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht bloß das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“, so die Präambel der WHO-Satzung. Die WHO wurde 1948 gegründet, Österreich ist seit Beginn Mitglied. Derzeit gehören ihr 194 Nationalstaaten an. Die wichtigsten Aufgaben der WHO sind die internationale Koordination und Richtungsweisung im Gesundheitsbereich, die fachliche Zusammenarbeit mit den Ländern sowie die Unterstützung der Zusammenarbeit der Länder untereinander. Die WHO sammelt und analysiert globale Gesundheitsdaten, entwickelt Richtlinien und Strategien, bekämpft übertragbare Krankheiten und fördert Impfprogramme. Sie setzt weltweite Gesundheitsziele, engagiert sich gegen Risikofaktoren wie Rauchen und Übergewicht und trägt zur Umsetzung der gesundheitlichen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 bei.
Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liefert durch Gesundheitsstudien und Benchmarking wichtige Impulse für Reformen. Die OECD unterstützt Länder patientenzentrierte, leistungsfähige und widerstandsfähige Gesundheitssysteme zu entwickeln. Sie erhebt Gesundheitsdaten und Ressourcen und fördert evidenzbasierte Politiken zur Verbesserung von Zugang, Effizienz und Qualität der Gesundheitsversorgung. Von der Europäischen Kommission wird aus den Daten der OECD alle zwei Jahre der Bericht „Health at a Glance: Europe“ herausgegeben.
Während Österreich seine Gesundheitspolitik weitgehend eigenständig gestaltet, sorgen EU-Organe und internationale Organisationen für eine übergeordnete Koordination, Harmonisierung und Unterstützung. Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung der EU und internationaler Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für das österreichische Gesundheitswesen gestärkt. Besonders in Krisenzeiten zeigt sich der Nutzen dieser Zusammenarbeit, doch auch langfristig trägt die internationale Vernetzung zu einem leistungsfähigen und zukunftssicheren Gesundheitswesen in Österreich bei.
Mag. Katharina Wieser
Linzer Institut für Gesundheitssystem-Forschung
www.ligforschung.at